Sigrid Baumann Senn erzählt
20.09.2018
Kopfkino der Extraklasse: Sigrid Baumann Senn lässt mit Worten wunderschöne Bilder entstehen
Plastisch beschriebene Zigarren-Rauchkringel scheinen direkt über den Zuhörern zu schweben und nehmen uns mit auf eine spannende und bewegende Reise in die Schwerter Vergangenheit
Ein hoch interessantes und literarisch liebevoll umgesetztes Zeitdokument legte die 1932 in Schwerte geborene Künstlerin Sigrid Baumann Senn ihren Gästen vor. Auf Einladung der engagierten Bürger aus dem „Atelier der Ideen“ der Bürgerstiftung St. Viktor gab die Autorin, die heute in Stuttgart wohnt, eine kleine Kostprobe aus ihren 33 Schwerter Geschichten unter dem Titel „Die Rührschüssel meiner Mutter“.
Da die Geschichten aus dem Blickwinkel des Kindes Sigrid im Alter von drei bis 16 Jahren geschildert werden, erreichen sie die Zuhörer unmittelbar mit einer hohen Authentizität. Baumann Senn beschreibt die Geschehnisse gespickt mit aufgeweckten Fragen, die sich das wissbegierige und intelligente kleine Mädchen nicht erklären kann. Das erzeugt an manchen Stellen humorvolle Anregungen, an anderen nachdenkliche Anstöße.
Viele der Besucher waren ehemalige Wegbegleiter der Künstlerin aus der damaligen Schwerter Nachbarschaft, der alten Marktschule oder aus dem Mädchenlyzeum am Strang. Und so wurden die Erzählungen häufig mit zustimmendem Nicken, wissendem Lachen oder betrübtem Kopfschütteln begleitet: Sigrid Baumann Senn schilderte die Jahre vor dem Krieg als eine glückliche Zeit in der Familie, strenge Lehrer und die Auswüchse des aufkommenden Nationalsozialismus trübten allerdings die kindliche Leichtigkeit. Die Autorin sparte auch Ängste und Sorgen der Kriegszeit nicht aus, als ihre Mutter, da der Vater im Krieg war, wie viele Mütter der damaligen Zeit auf sich alleingestellt über sich hinauswuchs und für die kleine Sigrid zur Heldin wurde. Die Not nach dem Krieg wurde mit Zweck-Optimismus überstanden: Man machte halt das Beste d´raus.
Sigrid Baumann Senn, die sich seit den 50er/60er Jahren als gestaltende Künstlerin mit spanneden Werken aus Naturmaterialien und zahlreichen Ausstellungen einen Namen gemacht hat, hat gezeigt, dass sie auch mit Worten wunderschöne Bilder malen kann: Eine hochbetagte Dame, die mit ihrer Energie und ihrem Können großen Eindruck und anerkennenden Respekt hinterläßt. Ein Talent mit vielen Facetten.
Text und Fotos: Martina Horstendahl
Sigrid Baumann Senn (links) im Gespräch bei ihrem Besuch des Bürger-Projekts „Philosophisches Café“ Ende April im Alten Rathaus.
23.08.2018
Eine Bildermacherin mit Material und mit Worten –
Sigrid Baumann Senn erzählt bewegende Geschichten aus Zeiten
der Kindheit und Jugend in Schwerte um die Kriegjahre herum
Atelier der Ideen: Stuttgarter Künstlerin liest am 20. September im Alten Rathaus aus ihren Erinnerungen
„Niemand kann sich so verrückte und wunderbare Geschichten ausdenken, wie das Leben“, erklärt Sigrid Baumann Senn. Und kaum einer kann sie so wunderbar wiedergeben, wie diese Autorin. Denn die 1932 in Schwerte geborene Künstlerin hat in den 60er Jahren begonnen – neben ihrem gestalterischen Schaffen – ihre Kindheitsgeschichte in der Ruhrstadt aufzuschreiben. Das Ergebnis ist eine Ansammlung von bewegenden Erzählungen aus der Zeit vor, in und nach dem Krieg, als sie Kindheit und Jugend in der Jägerstraße 13 verbrachte.
Zeitzeugnisse hautnah erzählt: amüsant oder besinnlich – immer anregend
Einen großen Raum der anregenden Zeitzeugnisse nimmt die Familie mit köstlichen aber auch besinnlichen Geschichten ein. Eine wichtige Figur ist Großvater Senn, den der Leser sofort in sein Herz schließt. Eltern, Zwillingsbruder, Tanten und Onkel werden so plastisch beschrieben, dass man fast glaubt, mit am großen Küchen-Tisch zu sitzen. Die Spiele mit den Nachbarskindern aus der Straße zeugen von der enormen Fantasie der Freunde und zeigen vor allem schon früh die Kreativität der späteren Künstlerin Sigrid Baumann Senn auf.
Sigrid Baumann (rot gekleidet)
Auch für das Kind unbegreifliche Erinnerungen z.B. an die jüdischen Familien in der Nachbarschaft oder schmerzliche Ereignisse werden festgehalten. Zu den Erlebnissen wie etwa in Grundschule und Lyzeum wird manchem Zeitgenossen sicher noch der ein oder andere Name bekannt sein. Für Jüngere sind die Erzählungen ein reizvoller und lehrreicher Rückblick auf das Leben in Schwerte in lange vergangenen Tagen – mit seinen positiven und negativen Seiten.
Erlebte Geschichten im Gedächtnis eingeschrieben wie auf eine Filmrolle
Sigrid Baumann, die als vielbeachtete Künstlerin mit zahlreichen Ausstellungen und Publikationen zu ihren Werken heute in Stuttgart lebt, sagt zu ihrer Geschichten-Sammlung: „Ich war voller erlebter Geschichten, die alle zu Bildern geworden waren mit der Zeit und die sich in mein Gedächtnis eingeschrieben haben wie auf das Band einer Filmspule.“ Diesen Film habe sie nun abgespult: „Ich wurde Bildermacherin und Erzählerin, machte Bilder mit Material und Bilder mit Worten.“ Wie sehr ihr neben dem Gestalten und Schreiben auch das Erzählen liegt, zeigt ihre Aufnahme in die Erzählergilde der Europäischen Märchengesellschaft.
Wir freuen uns also auf die Lesung einer vielseitig talentierten alten Dame, wenn Sigrid Baumann am 20. September auf Einladung des Bürger-Engagements aus dem „Atelier der Ideen“ zu Gast im Alten Rathaus ist. Ab 19 Uhr trägt sie aus ihrer Geschichten-Sammlung vor, erzäht uns aus ihrem Leben im alten Schwerte.
Readktion und Foto: Martina Horstendahl
Großvaterhaus in der Jägerstraße (Archiv Baumann Senn)
Die Zwillinge mit Opas Osterlamm (Archiv Baummann Senn)