Schwertes Aufbruch zur Demokratie


csm_DSC_0119_63cc37cfd9 Gleichstellungsbeauftragte Birgit Wippermann (r.) gab eine kurze Einleitung zu dem Vortrag von Prof.Dr. Wilfried Reininghaus (2.l.)

Schwertes erste Schritte in die Demokratie mit Bäckermeister Kuchheuser, Luise Elias, Bauunternehmer Carl Frage und Sofie Ludwig

100 Jahre Frauenwahlrecht – und die Besetzung der politischen Gremien im heutigen Rat der Stadt

Groß war das Besucherinteresse für den Vortrag von Prof.Dr. Wilfried Reininghaus „Schwertes Aufbruch in die Demokratie 1919“ im Alten Rathaus der Schwerter Mitte am Markt. Auf Einladung der Bürgerinnen und Bürger aus dem Atelier der Ideen der Bürgerstiftung St. Viktor und der AG Schwerter Frauengruppen referierte Prof.Dr. Reininghaus, Historiker und langjähriger Leiter des Landesarchivs Westfalen,  über die ersten Kommunalwahlen in Schwerte.

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Wahlverhalten in den einzelnen Bezirken

Als „Schwerter Junge“ in der Westenstraße aufgewachsen, hatte Wilfried Reininghaus mit gemeinsamen Anekdoten und Bezügen schnell einen direkten Draht zu seinen Zuhören. Bei der Aufzählung der verschiedenen damals neuen Parteien und deren Besetzung von Vorstand und Mitgliedschaft fielen zahlreiche Namen von Vorfahren Schwerter Familien, die noch heute ansässig sind und vielen Besuchern geläufig waren. So wurden beispielsweise Bäckermeister Kuchheuser (SPD) oder Bauunternehmer Carl Frage (Zentrum) genannt. Spannend war auch das Ergebnis der aufgestellten Parteien in den einzelnen Schwerte Wahlbezirken – besonders in Hinblick auf das heutige Wahlverhalten  der Schwerter Bürgerinnen und Bürger. 

Erste Frauen

Ein wichtiger Fokus des Abends richtete sich auf das 100-jährige Bestehen des Frauenwahlrechts. So wurden die ersten Kandidatinnen für das Schwerter Stadtparlament von 1919 vorgestellt: Agnes Tütel (DDP),  die auch Patentante des Referenten war, Sofie Ludwig (Zentrum) und Luise Elias (SPD).  Die beiden letzteren zogen auch in das Gemeindegremium ein.  Insgesamt seien in Westfalen die Frauen allerdings häufig auf aussichtslosen hinteren Listenplätzen angesiedelt worden, so Reininghaus.  Zudem sei mit dem Nachwachsen und Nachdrängen junger Männer und dem folgenden Ausgleich der Kriegsverluste auch die Listenpräsenz der Frauen bald wieder zurückgegangen.

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Geschichte der politisch aktiven Frauen in Schwerte unerforscht

Schwertes Gleichstellungsbeauftragte Birgit Wippermann zeigte anhand von heutigen Zahlen der Schwerter Gremien – auf Plakaten verbildlicht, dass Frauen an den politischen Schalthebeln noch immer unterpräsentiert sind.  Sie betonte ihre Forderung nach einer Frauenquote bei der Besetzung der Ausschüsse. Prof.Dr. Reininghaus, der sich mit den ersten Frauen der Schwerter Demokratie befasst hat, wies zum Schluss darauf hin,  dass insgesamt die Geschichte der politisch aktiven Frauen in Schwerte,  die seit 1919 in städtischen Gremien vertreten waren, noch aufgearbeitet werden müsse. „Da schlummern  sicher noch manche Informationen zu diesen Frauen bisher unerforscht im Schwerter Stadtarchiv.“

Text und Fotos: Martina Horstendahl

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Prof. Dr. Reinighaus zeigt auf: Schwertes Aufbruch zur Demokratie 1919 mit Luise Elias und Sofie Ludwig als erste Frauen im Stadtparlament

Blick 100 Jahre zurück – gemeinsames Projekt aus dem Atelier der Ideen und der AG Schwerter Frauengruppen 

“Schwertes Aufbruch zur Demokratie 1919” – Mit diesem Titel ist der Vortrag überschrieben, den Prof. Dr. Wilfried Reininghaus, bis 2013 Präsident des Landesarchivs NRW, am Dienstag, 8. Oktober, um 19 Uhr im Alten Rathaus der Bürgerstiftung St. Viktor in der Schwerter Mitte präsentiert.

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Archivar und Historiker Prof.Dr. Reininghaus hat sich intensiv in seinem Buch „Drum wählt – Die erstem demokratischen Kommunalwahlen in Westfalen und Lippe“ mit den  anfänglichen demokratischen Schritten in unserer Region beschäftigt. Ein besonderes Interesse verbindet ihn als „Schwerter Junge“ mit den ersten Wahlen in unserer Ruhrstadt. Angesprochen wird die allgemeine Entwicklung von Oktober 1918 bis März 1919, wobei sich Prof.Dr. Reininghaus die Kandidaten/Kandidatinnen der Kommunalwahl im März 1919 genauer anschaut.

Er wirft dabei auch einen besonderen Blick auf die Rahmenbedingungen. Dann stehen ebenso das hart erkämpfte Frauenwahlrecht – das auch in der Ruhrstadt erstmals vor 100 Jahren gewährt wurde – und die ersten Kandidatinnen für das Schwerter Stadtparlament Luise Elias, Sofie Ludwig und Agnes Tütel im Focus. Die beiden ersteren wurden gewählt. Agnes Tütel stand zu weit hinten auf der Liste der DDP (Deutsche Demokratische Partei), so dass sie nicht in den Stadtrat einziehen konnte. Im Zuge der Recherchen war gerade die Begegnung mit dieser Demokratin unerwartet für Prof. Dr. Reininghaus: „Mich interessierte Agnes Tütel  besonders, weil sie eine Patentante war und ich völlig überrascht war, sie als Kandidatin zu treffen.“

Schwerter Politikerinnen-Biographien für die Historische Kommission

Prof.Dr. Reininghaus beschäftigt sich über den Schwerter Vortrag hinaus intensiv mit dem Werdegang dieser lokalen Politikerinnen der ersten Stunde: Er beteiligt sich mit einem Beitrag zu den drei Frauen an einem Projekt, das die Historische Kommission aufgelegt hat, um Frauen in der westfälischen Politik biographisch vorzustellen.

Für Prof.Dr. Reininghaus ist der 8. Oktober ein besonderer Tag: „Meine zweijährige Vortragstätigkeit zu 1918/19 geht damit zu Ende – wo wäre ein besserer Ort dafür als in meiner Geburtsstadt?“

Der Vortragsabend wird in einer Kooperation der Aktiven aus dem „Atelier der Ideen“ der Bürgerstiftung St. Viktor und der Arbeitsgemeinschaft Schwerter Frauengruppen organisiert. Plakate zum heutigen Anteil der Frauen in den politischen Gremien Schwertes – erstellt von der Gleichstellungsstelle der Stadt – schlagen einen Bogen in die frauenpolitische Gegenwart.

Der Eintritt ist frei, Spenden für die Bürger*innen-Projekte der Bürgerstiftung sind stets  willkommen.

Redaktion: Martina Horstendahl